Das Mittelalter war der Ursprung vieler Redenwendungen – aber wie erklärt man am besten viele auf einmal? Genau – einfach in eine Geschichte packen – wie wäre es denn mit dem Thema „Dating“? Wir werden sehen, so anders war das damals eigentlich nicht.
Zu Beginn: Den Hof machen
Mann trifft tolle Frau und ist hin und weg – er versucht ihr den Hof zu machen, also sie zu umwerben. Wie er das nun anstellt oder ob er Erfolg hat, das sei mal dahingestellt. Prinzipiell ist die Sache aber recht einfach: ist er auch höflich, könnte die zukünftige Braut dahinschmelzen.
Geprägt hat die Redewendung der allseits bekannte Sonnenkönig Ludwig XIV. – wer auch sonst? Ist er doch als König Maßstab der höfischen Gesellschaft. Unter „Hof“ ist dabei die ganze Umgebung des Hofstaates gemeint, also auch die Dienenden und Angestellten, die jederzeit höflich sein mussten – bangten sie doch um ihr Leben, sollten sie dies nicht sein. Diese Hingabe – ob nun freiwillig oder nicht – meint auch die Redewendung „den Hof machen“ und beinhaltet eigentlich das Verständnis der Hofzugehörigen als Hofmänner. Sie gaben jederzeit alles, um den König zufrieden zu stellen und den Hof ordentlich zu halten, ihn zu umgarnen. Dieses Verhalten lässt sich also leicht auf das Verhalten eines Mannes übertragen, der um die Gunst eines Weibes buhlt und ihr „den Hof macht“.
Strategie: Bisschen Süßholz raspeln
Gut, wenn das alles noch nichts hilft, dann müssen andere Geschützte aufgefahren werden. Was Süßes vielleicht? Ist ja nichts Ungewöhnliches seine „Süßen“ damit zu überraschen. Das war auch schon früher üblich, aber im Gegensatz zu Schoki und Pralinen gab’s eben nur Honig. Der war aber wiederum echt schwer zu beschaffen – bis man schlussendlich die Zuckerrübe, also das spanische Süßholz, entdeckte. Die Herren der Schöpfung raspelten sie einfach ein wenig und übergaben sie der Angebeteten als kleines Geschenk.
Worst Case: Einen Korb bekommen
Das Schlimmste, das passieren kann, ist einen Korb zu bekommen. Die holde Maid will also nicht oder ist bereits anderweitig vergeben. Wie man einen Korb bekommt? Im Mittelalter war das recht sprichwörtlich gemeint. Zur Brautwerbung war es üblich, unter dem Fenster der Angebeteten um ein Rendezvous zu bitten. Sie ließ einen Korb herunter, in dem der Mann Platz nahm und hochgezogen wurde. Hatte die Braut aber keine Lust, ließ sie kurzerhand einen Korb herunter, der am Boden schon etwas beschädigt war und beim Hochziehen zusammenkrachte – ein schmerzhaftes Unterfangen mit klarer Botschaft, eine „bodenlose“ Frechheit.
Best Case: Ein Schäferstündchen
Hat man das Glück, dass der Korb heile am Seil hängt, kann es unter Umständen zu einem Schäferstündchen kommen. Hach, endlich am Ziel, ein trautes Beisammensein zu Zweit. Normalerweise sind heute bei einem Schäferstündchen keine Schäfer anwesend, aber die Redewendung hat etwas mit ihnen zu tun. Im Barock und Rokoko war ja so einiges etwas übertrieben, auch manche Trends wie man heute so schön sagen würde. Es gab eine gesellschaftliche Bewegung, die eine naturnahe Lebensweise idealisierte und diese möglichst unmittelbar erlebbar machen wollte. Und was eignet sich besser als der Berufsstand des Schäfers, der bei seiner Arbeit stundenlang seinen Schäfchen beim Grasen in der Natur zuschaut? Ja richtig, nichts. Also ein paar Pastoralen komponiert (lat. pastor = Hirte, bukolische Dichtung) und ein paar Schäfchen bestellt, die dann in nachgestellten Szenen im Park ein wenig am Gras mümmeln, damit die feine Gesellschaft ganz ohne Mühe und wohlbesonnen zuschauen kann. In diesem illustren und ungezwungenen Idyll entspannt man sich dann ganz ungeniert, so dass die Klamotten fast von alleine fielen. Wie weit das Schäferstündchen geht, bleibt geheim.
Möglichkeit 1: Um die Hand anhalten
Läuft alles nach Plan, kommt bald der Moment, an dem Mann um die Hand der Braut anhält. Die Redewendung ist auch heute noch gebräuchlich und meint prinzipiell dasselbe wie auch schon vor hunderten Jahren. Bis fast in das 20. Jahrhundert war es undenkbar, dass Frauen eine anderen Rolle übernehmen als die der fürsorglichen Hausfrau und Mutter, ein andere Berufsausübung nicht vorgesehen. So war zunächst der Vater der Versorger, bei einer Heirat ging diese Verantwortung auf den zukünftigen Ehemann über. Symbolisch übergab der Vormund die Hand seine Tochter an dessen Hand, danach legte er sie auf die Hand des Bräutigmas. Die Hand war dabei ein Symbol des Besitzes, des Schutzes und der Macht, sie ist das wichtigste Werkzeug des Menschen. Und so sollten auch heute noch die zukünftigen Männer beim Vater der Braut um deren Hand anhalten. Da sind manche Väter vermutlich froh – endlich ist die Tochter „unter der Haube“ – gut gemacht. Und das ist genau so gemeint. Um sich als verheiratete Frau zu outen, ist eine Haube Pflicht.
Folgen: Splitternackt vögeln
Splitternackt sind ja schon mal gute Aussichten. Dabei hat das „splitternackt sein“ gar nicht mit Menschen zu tun, sondern mit Bäumen. Eigentlich wäre auch der Ausdruck „splinternackt“ richtig. Da aber niemand den Ausdruck „Splinter“ kennt (ooookay, bei den Ninja Turtles schon), der eine Faserschicht zwischen Baumstamm und Rinde bezeichnet, sagen die meisten einfachen Splitter, wie bei einem kleinen Splitter, den man sich aus Versehen zugezogen hat. Entfernt man diese Faserschicht und die Rinde, ist der Baum auch nicht nur splitternackt, sondern splitterfasernackt (oder eben splinterfasernackt).
Jetzt wird’s vulgär: Und wie ist das nun mit dem Vögeln? Das hat man im Mittelalter (reusper, reusper) natürlich nur nach der Heirat getan. Eine Interpretation der Redewendung: Adelige Frauen hatten da eine ganz besondere Art ihren Liebhabern mittzuteilen, wenn es soweit ist. Sie hielten sich in Käfigen Singvögel, wenn sie diesen ans Fenster stellten, signalisierte dies dem Manne, dass er zu den Vögeln kommen solle, um den Akt zu vollziehen.
Möglichkeit 2: Sich aus dem Staub machen
Wie kommt man denn nun da wieder raus? Wenn man darauf keine Lust hat, bleibt eigentlich nur noch ein Weg übrig: Fix aus dem Staub machen. Das Vorbild eines jeden sind hierbei sind die Kämpfer beim Buhurt – einem ritterlichen Kampfspiel mit vielen Teilnehmern gleichzeitig. Durch das Hin- und Hergeschubse und -getöse auf einem Pferd, wurde so viel Staub aufgewirbelt, dass so manch ein Kämpfer, ungesehen flüchten konnte. Ein bisschen feige ist das natürlich schon.